Ambros - Stung Treng, Kambodscha

Facts

Name: Ambros Berlinger
Alter: 20
Beruf: Schüler
Einsatzort: Stung Treng, Kambodscha
Einsatzstelle: Grundschule
Tätigkeit(en) im Einsatz: Englisch- und Mathematikunterricht, Freizeitbetreuung
Einsatzdauer: 12 Monate, 2022-2023

Überwältigend und fordernd. Aufregend und bedrückend. Mit all diesen Worten kann ich eine Zeit hier beschreiben und je länger ich hier bin, je mehr ich von diesem Land, dieser Kultur, den Menschen hier kennenlerne, desto intensiver werden diese Eindrücke. Acht Monate sind mittlerweile vergangen und ich kann weder glauben, noch will ich wirklich wahrhaben, dass meine Zeit hier in Kambodscha schon langsam dem Ende zugeht.

Was meine Arbeit angeht, sind es für mich noch immer die Kinder, welche mein Leben hier am meisten bereichern. Es ist immer (und immer wieder aufs Neue) ein besonderes Gefühl, mit ihnen beim Mittagsessen herumzuspaßen, mit ihnen in den Pausen zu spielen oder sie mit ihren strahlenden Gesichtern und den winkenden Händen in den Unterricht begrüßen zu dürfen. Am Ende der Stunde kommt der Großteil der Kinder einzeln nach vorne, bedankt sich für den Unterricht und möchte ein High-Five oder eine Umarmung, bevor sie nach Hause gehen.

Oft stehen die Schüler:innen auch schon mehr als eine Stunde vor  Unterrichtsbeginn in meinem Zimmer und wollen spielen, musizieren oder einfach nur reden.
In der Privatschule, wo ich nur einen Halbtag unterrichte, sieht das Ganze etwas anders aus. Die Krou Yeng School ist eine national angesehene Privatschule und das dortige Unterrichten gestaltet sich dementsprechend anders. Zum einen ist die Kommunikation mit den Lehrern und Schülern um einiges leichter, zum anderen verfügt man dort sowohl über einen Internetzugang als auch über eine Vielfalt an Unterrichtsmaterialien und Ressourcen.
Ich bekomme durch den Unterricht an dieser Privatschule, an welcher ich im Fach Mathematik unterrichte, noch einen ganz anderen Einblick in das Bildungswesen und die Gesellschaft in diesem Land. Weil es sich nur die „reichsten“ Familien leisten können, ihre Kinder auf diese Schule zu schicken, sind auch die Kinder deutlich anders hier. Sie erinnern
mich sehr an die Kinder aus Österreich. Sie sind, was den Unterricht angeht, lustloser und frecher, aber auch selbstbewusster und weniger schüchtern.

Ich erinnere mich noch an meine Anfangszeit, als ich gefragt wurde, ob ich Englischunterricht für Mönche in einem Tempel geben kann. Wenige Tage später unterrichtete ich die Mönche im Alter von 12 – 35 Jahren zum ersten Mal. Auch weil sich der Kontakt nicht nur auf den Unterricht beschränkte und wir auf diverse Feierlichkeiten eingeladen wurden, war das eine einzigartige Möglichkeit, um weiter in die Kultur und die Religion des Landes einzutauchen.

Auch durfte ich für mehrere Tage am Leben einer indigenen Minderheit teilhaben. Weit abgelegen und nur zu Fuß erreichbar, leben die „Kuy“ in den Regenwäldern an der Grenze zu Laos. Ganz ohne fließendes Wasser, Strom und Internetanschluss.
Gekocht wird dort mit Lagerfeuern. Man wäscht sich im Fluss, schläft in Hängematten oder auf Holzdielen.

Eine besondere Freundschaft erlebe ich mit Mariam, einem Kambodschaner, mit dem ich und mein Mit-Freiwilliger Paul seit etwa 8 Monaten zusammenleben. Mariam musste schon früh in seiner Kindheit, wie viele Kinder hier in Kambodscha, Gewalt erleben. Sein Vater ist schon vor einigen Jahren gestorben und Mariam lebt seit seinem zehnten Lebensjahr alleine. Mit uns hat er, so Mariam selber, zum ersten Mal eine Familie und einen Rückhalt gefunden. Wenn ich an meinen Abschied hier in Kambodscha denke, stimmt mich das sehr traurig. Ich werde zurückkehren zu meiner Familie und meinem alten Leben. Wie es für Mariam weitergeht, ist ungewiss.


Leben in Kambodscha:
…Obst und Gemüse, welches an kleinen Ständen an der Straßenseite verkauft wird.
Kühe auf den Gehsteigen. Fische noch auf dem Schneidebrett zappelnd und frittierte
Schweineköpfe, die als Delikatesse angeboten werden. Schüler:innen,
die spät in der Nacht im Restaurant ihrer Eltern arbeiten. Kinder, die nicht zur Schule kommen können, weil sie bei der Ernte von Cashewnüssen helfen müssen. Zur Schule gehen ohne Hefte und Stifte, weil das Geld fehlt. Motorräder beladen mit ganzen Familien. Duschen im Freien mit einer Schöpfkelle. Schlafen auf Holzdielen.
Wochen ohne Wochenende. Monatsgehälter von 200$. Alles Normalität hier! Das ist Kambodscha. Und dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass die Menschen hier unzufriedener sind als bei uns. Das alles gehört einfach „mit dazu“. Das Leben hier ist direkter und kompromissloser und vielleicht fällt es einem auch genau darum leichter, die kostbaren und „wichtigen“ Dinge des Lebens wahrzunehmen. So sind es auch meist unscheinbare und kleine Erlebnisse, kurze Gespräche oder einfache Gesten, welche mich hier besonders erfreuen. Und schlussendlich sind es wohl auch die Akzeptanz und der Umgang mit diesen Situationen, die Einfachheit des Lebens und die Einstellung zum Leben sowie die Unkompliziertheit und Freundlichkeit der Menschen, welche mich hier so beeindrucken.